Die Putzfrauen meiner Mutter

Mein Liebesroman „Die Putzfrauen meiner Mutter“ ist eine turbulente romantische Komödie mit viel Humor, aber genauso viel Ernst, denn Licht gibt es bekanntlich nicht ohne Schatten. Mir ist aufgefallen, dass die meisten romantischen Liebesromane, eine junge Protagonistin haben. Das hat mich schon als Vierzigjährige gelangweilt. Denn viele Probleme, die ich mit Zwanzig oder Dreißig hatte,  erschienen mir mit Vierzig geradezu albern. Daher habe ich beschlossen, aus dem Leben einer reiferen Frau zu erzählen, die aber noch immer genug Energie hat, um aus ihrem Trott und ihrer eingefahrenen Ehe auszubrechen. Hier kommt eine Leserprobe meines Romans „Die Putzfrauen meiner Mutter“. Viel Vergnügen beim Reinlesen. Über Feedback freue ich mich immer sehr!

Inhalt:

Christine ist Lehrerin und geht auf die 50 zu. Kein Grund eine Krise zu bekommen. Die hatte sie schon mit 40, weil ihr Mann George, Brite von Geburt, Augenarzt von Beruf, Sternengucker aus Passion, keine Kinder wollte und sie stattdessen mit seiner Sprechstundenhilfe Sabine betrogen hat. 

Christine wirft in einem Alter von beinahe einem halben Jahrhundert jeden Anstand, alle Disziplin und sämtliche Bedenken über Bord und beginnt eine leidenschaftliche Liebesgeschichte mit dem siebenundzwanzigjährigen Bulgaren Dean, der am liebsten Maler wäre, sein Geld aber bisher als Masseur, Matrose und Hostess verdient. Das zuvor in klaren Bahnen verlaufene Leben Christines gerät immer mehr außer Kontrolle. Dean regiert plötzlich ihre kleine Welt. Nachdem ihr alles bisher Dagewesene um die Ohren geflogen ist,  inklusive ihrer Ehe, ihrem Job und ihrer Affäre, stellt Christine fest, dass man manchmal alles loslassen muss, um sich selbst zu finden.

Leseprobe

Kapitel 1

„Es ist so schwierig, eine gute Putzfrau zu finden“, sagt meine Mutter. „Nein, wirklich“, sagt sie, rollt die Augen und schüttelt entnervt den Kopf. 

Ich sage nichts.
Es ist ja nicht so, dass ich es ihr nicht glaube. Es ist sogar ziemlich offensichtlich, wenn ich ihren Verschleiß so betrachte: hundertfünfzig Putzfrauen in vierzig Jahren. Das ist kein Pappenstiel oder wohl eher –  kein Wischmopp-Stiel. Gerade hat sie wieder einer der Damen gekündigt. Der Grund: Die Dame wollte schwarz für sie arbeiten.
Das geht natürlich nicht, sagt meine Mutter. Sie will ihre Haushaltshilfe ganz legal beschäftigen. Alles andere ist illegal. Man stelle sich doch bloß vor, der Frau passierte etwas. Sie fiele die Treppe herunter und bräche sich ein Bein. 

„Dann bin ich dran“, sagt meine Mutter, als wäre genau das, in eben diesem Moment geschehen. Als wäre ihre aktuelle Putzkraft die Treppe heruntergestürzt und hätte sich mindestens den Hals gebrochen. Kurz bin ich schockiert. Dann besinne ich mich und erinnere mich daran, dass ja in Wirklichkeit gar nichts passiert ist. Es ja derzeit nicht mal eine Putzhilfe gibt.

„Aber du glaubst ja gar nicht, wie schwierig es ist eine gute Putzfrau zu finden“, wiederholt sie noch einmal mit unwesentlich mehr Pathos als beim ersten Mal. „Zu solchen Konditionen“, fügt sie dieses Mal hinzu.

Um ehrlich zu sein – nein – ich weiß tatsächlich nicht, wie schwierig es ist, eine gute Putzfrau zu finden. Ich habe noch nie im Leben eine gesucht. Nicht mal eine schlechte. Überhaupt keine. Das sage ich meiner Mutter in diesem Moment aber nicht. Sie würde mir ohnehin nicht zuhören, sondern einfach weiterreden. So ist das immer. Ein unendlicher mütterlicher Monolog. Meine Mutter interessiert sich einfach nicht sonderlich für mich. 

Die Putzfrauen meiner Mutter

Als Kind wurde mir immer eingebläut, dass man nicht „Putzfrau“ sagt. Kein politisch korrekter Begriff ist das. Zu einer Zeit, als es den Begriff „politisch korrekt“ in Deutschland noch gar nicht gab. In den USA möglicherweise schon. Dafür gibt es ihn dort mittlerweile nicht mehr. Er wurde durch den neuen Präsidenten, dessen Name nicht genannt werden darf, ad absurdum geführt. Weil für ihn Political Correctness gleichbedeutend ist mit Political Incorrectness. 

Ich hatte also, wie gesagt, noch niemals eine Haushaltshilfe. Ich habe bisher keine gebraucht. Ich lasse nur selten und ungern andere Menschen in meine Wohnung. Wenn ich andere Menschen in meine Wohnung lasse, beispielsweise zu einer Abendessenseinladung, dann räume ich vorher auf.

Die Vorstellung, für eine Putzhilfe extra aufräumen zu müssen, finde ich absurd. Schließlich sollte ja diese es sein, die Dreck und Chaos für mich beseitigt. Wofür sollte ich sie denn sonst einstellen? Da mache ich doch lieber einen Rundumschlag, räume auf, sauge und putze und fühle mich anschließend richtig gut – Stichwort: instant gratification. Auch so ein Anglizismus. Von meinem Mann, der ist nämlich Engländer. Und dem ist es bei uns sauber und aufgeräumt genug. Sagt er zumindest. Aber nur, wenn ich ihn frage.

Meine Mutter jedenfalls hat eine Putzhilfe. Ach, was sage ich, Putzhilfe! Putzhilfen hat sie. Also immer nur eine zur Zeit. Eine Art serieller Monogamie ist das. Bezüglich der Hilfe, die sie im Haushalt in Anspruch nimmt. In der Liebe ist sie tatsächlich überzeugte Monogame. 

Und obwohl sie diejenige ist, die mir als Kind eingebläut hat, dass man „Putzfrau“ nicht sagt, ist sie heute diejenige, die „Putzfrau“ sagt.

Und dass, obwohl sie gerade gar keine hat. 

Gartenarbeit macht schön

Ach, und habe ich es schon erwähnt? Vor wenigen Wochen sagte sie dann zu mir: „Du glaubst ja gar nicht, wie schwierig es ist, einen guten Gärtner zu finden.“

Ich glaube als ich sie daraufhin fragend anlächelte, kam das ziemlich gequält rüber. Denn gedacht habe ich. Nein, jetzt nicht auch noch der Gärtner. Das Problem mit diesem war, dass er es im Rücken hatte und dass er in den Zeiten, in denen meine Eltern ihn wirklich gebraucht hätten, beispielsweise im Frühling, im Sommer und im Herbst nur sehr selten Zeit hatte. Im Winter dagegen tauchte er mehrmals in der Woche auf. Obwohl wirklich nichts zu tun war. Was soll ich sagen?

Es ist Frühsommer und jetzt hat meine Mutter den Gärtner durch einen Roboter ersetzt. Zumindest beim Rasenmähen. Die Blumen gießt sie wieder selbst. Auch das Unkraut jätet sie. Dass es gut für die Bienen und Schmetterlinge wäre, es stehen zu lassen, lässt sie nicht gelten. Sie zupft. Obwohl sie es an den Knien hat und doch jeder weiß, dass Unkrautzupfen nicht gut für die Knie ist. Doch meine Mutter geht tapfer in die Hocke und zupft, was ihre arthritischen Finger hergeben.

Allerdings interessiert sie sich nicht erst seit des Gärtners Abgang so sehr für die aktive Gartenarbeit. Michelle Obama ist Schuld. Denn während der Amtszeit ihres Mannes hat die First Lady einmal ihre perfekt geformten Oberarme ihren Aktivitäten im Garten zugeschrieben.
Also jätet meine Mutter und gräbt und setzt und pflanzt und hofft auf ein entsprechendes Ergebnis. Ich möchte sie nicht desillusionieren indem ich ihr sage, dass die wirklich bezaubernde First Lady (mittlerweile ja leider Ex-First Lady) sicher noch die eine oder andere Kraftübung auf sich nimmt, um solche Oberarme zu formen. Zumindest aber Liegestütze. 

Meine Mutter betätigt sich ansonsten jedoch nicht sportlich. Also sage ich lieber nichts, denn generell sind die Vorzüge von Bewegung an der frischen Luft ja nicht von der Hand zu weisen. Und besser gärtnern als gar kein Sport.

Robbi der Mähroboter

Währenddessen dreht nun der Roboter seine Runden.
Er sieht aus, wie eine gestauchte Version eines schwarzen Porsche Cayenne, findet meine Mutter, oder wie eine riesige schwarze Kröte, finde ich. Aber für meine Mutter zählen ohnehin vor allem seine inneren Werte: Robby ist gewissenhaft, gründlich, pünktlich und er macht fast keinen Mucks. Soweit die Vorteile gegenüber seinen menschlichen Kollegen. Meine Mutter jedenfalls ist voll des Lobs für Robby. 

„Er ist so süß!“ ruft sie verzückt aus, als sie mir zum ersten Mal von ihm erzählt. „Oh warte. Wie spät ist es? Ich kann den Rasen erst sprengen, wenn er im Stall ist.“ 

Um Punkt sechzehn Uhr hat Robby nämlich Feierabend. Dann fährt er ganz eigenständig in seine Garage und kommt erst am nächsten Tag wieder zum Vorschein. 

„Aber Mama, weißt du denn nicht, dass die Dinger Blindschleichen, Frösche und Igel überfahren?“

„Pfff“, sagt meine Mutter. „Dafür ist doch Robby viel zu langsam. Und außerdem ist das Gequake unserer Frösche ohnehin nervtötend.“ Sie lacht.

Und überhaupt: Warum in aller Welt, muss ein Rasen täglich gemäht werden? „Ist das denn nicht ein wenig übertrieben?, frage ich meine Mutter. 

Doch die macht nur wieder „Pfffff. Sonst sieht er nicht anständig aus.“ 

Ich denke, es gibt wichtigere Dinge als einen gleichmäßig gestutzten Rasen. Obwohl man so etwas wohl weder in Deutschland noch in England laut aussprechen darf. Denken schon, aber nicht aussprechen. Denn natürlich gibt es kaum etwas Wichtigeres als ein gepflegtes Auto und einen perfekt gestutzten Rasen. Denn wie sollte sonst irgendjemand auf den Gedanken kommen, dass das Gras auf der anderen Seite grüner ist?  

Kapitel 2

Apropos England: Mein Mann ist also Engländer und heißt sehr englisch George. Die Nächte verbringt er eher mit den Sternen als mit mir. Er ist zwar eigentlich Augenarzt, aber vom Herzen her ist er Astronom beziehungsweise seit Neustem Hobby-Exosoziologe. Das ist der jüngste Trend auf dem Gebiet. Exosoziologen beschäftigen sich mit allem, was im Universum – jenseits unseres blauen Planeten – existiert und passiert und was das mit uns – also den Menschen – macht.

Das ist interessant, finde ich, aber folgen möchte ich George in diese Sphären nicht. Ich will nämlich gar nicht wissen, was das mit mir macht. Wirklich nicht. Es ist mir unheimlich, mir vorzustellen, da würde ein Paralleluniversum in Form einer zweiten Erde existieren. Bevölkert von menschenähnlichen Wesen mit eigener Weltanschauung und Politik, eigenen Schicksalen, in einem eigenen Mikrokosmos.

„Ja eben“, sagt George dazu. „Genau damit beschäftigt sich ja die Exosoziologie. Mit genau diesen Ängsten. Siehst du, das macht selbst mit dir was!“ 

„Wie meinst du das – selbst mit dir was?“, frage ich. Vielleicht klinge ich ein wenig gereizt.

„Na ja, selbst so nüchterne Naturelle wie du, wühlt dieses Phänomen auf.“ 

„Ich bin doch kein nüchternes Naturell“, widerspreche ich nüchtern.

„Doch bist du“, widerspricht mir George. „Aber das ist okay. Und das bedeutet, dass es mit emotionaleren Menschen erst recht etwas macht. Das Phänomen, meine ich. Und um das zu erforschen, was eben dieses Phänomen mit den Menschen macht, dazu dient die Exosoziologie.“ 

„Aha“, sage ich skeptisch. Und denke mir – noch eine weitere Spinnerei macht jetzt auch nichts mehr.

George spricht mir von Kometen

George spricht mir von Kometen und Meteoritenschauern. Vom Asteroiden-Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter.

Dem Radianten der Perseiden und den Aurigiden, von Leoniden und Geminiden. Ich schaue ihn bei diesen Vorträgen andächtig an. Ich sehe die Haare, die ihm aus der Nase wachsen und frage mich, ob ich ihn bitten darf, sie sich zu zupfen, ohne, dass er es übergriffig findet. Auch aus den Ohren wachsen ihm Härchen. Auf der Brust dafür gar keine, was natürlich okay ist. Ich komme ohne Haare auf der Brust klar. Aber ich möchte als Ausgleich nicht von denen in seiner Nase gekitzelt werden, wenn er mich mal küsst. Was nicht mehr oft passiert. Eigentlich kaum noch. Fast nie. Na ja, wir sind ja auch immerhin schon dreiundzwanzig Jahre verheiratet. Weil ich mir aber über all’ diese Sachen Gedanken mache, weiß ich nie, was er mir von den Sternen erzählt.

Ich kenne mich also überhaupt nicht aus. Denn die Sterne sind ja zwar sehr schön, spielen aber in meinem Leben nicht einmal in Form von Astrologie eine Rolle. Ich glaube nicht an das Schicksal. Jetzt sind wir hier. Morgen vielleicht schon nicht mehr. Wir sind für unser Schicksal ganz allein verantwortlich.
Sterne sehen wirklich toll aus, wenn man sie in der Stadt auch kaum je sieht. Dafür auf dem Land umso deutlicher.

Aber am Ende mache ich mir da nichts vor. Sie können mir im Alltag nicht helfen.
Den muss ich schon ganz alleine wuppen. Noch dazu ohne Putzhilfe. Ja, ich weiß, das habe ich selbst zu verantworten. Die Sterne jedenfalls haben außer schön auszusehen für mich tatsächlich keinen weiteren Nutzen. Und ob schön auszusehen als Nutzen ausreicht, sei hier auch mal dahin gestellt.

Kann mit deutschen Männern nichts anfangen

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Mein Mann, also. Mit deutschen Männern habe ich nie so recht etwas anfangen können. (Verzeihung, deutsche Männer!) Sie sind mir einfach immer entweder ein Stück zu selbstgefällig oder zu ungehobelt.

Daher habe ich mir dann diesen Engländer ausgesucht. Er entspricht so ziemlich allen Klischees, die einem bei einem Engländer einfallen könnten. Er ist höflich, reserviert, sagt kaum je etwas, wenn er nicht angesprochen wird, er steht vorbildlich Schlange, weil er auch darüberhinaus noch sehr geduldig ist, nur für den britischen Humor hat es bei ihm nicht ausgereicht mit dem Britisch sein. 

Das mag an seiner ernsten Kindheit liegen. Er war das jüngste von zehn Kindern einer Bauernfamilie mit eher bescheidenem Auskommen. Als er noch ein kleiner Junge war, hat seine Mutter ihm die Ohren mit Hansaplast an den Kopf geklebt, wegen der Segelohren. Es hat aber nichts genutzt. Georges Ohren stehen noch immer in aller Schönheit ab.

Meine Schwiegereltern starben lange, bevor ich ihre Bekanntschaft hätte machen können. Das finde ich aus erwähntem Grund gar nicht so bedauerlich. Welche Mutter klebt Segelohren an einen Kinderkopf?

Hervorragend in der Schule

Mein Mann war immer so hervorragend in der Schule, dass er sich von Stipendium zu Stipendium hangeln konnte und schließlich sogar in Oxford studierte, mit einem Gastsemester in Heidelberg, wo wir uns auf einer Party bei Freunden kennenlernten und wo aus seinem Gastsemester zwei wurden und er hier schließlich sein Studium abschloss.

Seine Leidenschaft bin jedoch nicht ich. Sondern ein Stern, oder besser ein Komet. Der C/2006 P1 McNaught. Entdeckt hat diesen Kometen ein Australier, der hieß natürlich McNaught, das habe sogar ich kapiert. Geht man das Risiko ein, George auf dieses Himmelsphänomen anzusprechen, kann man sich auf einen Vortrag gefasst machen, bei dem seine Augen leuchten und der sich in die Länge zieht, wie der gekrümmte Staubschweif des Kometen, der meinen Mann 2007 komplett in seinen Bann zog. So sehr, wie ich es nie vermochte. Ehrlich gesagt aber auch nie vorhatte.
Dazu hat aber auch noch etwas anderes beigetragen. Ein weiteres Phänomen. Aber davon später, sonst verfranse ich mich.

Lehrerin für Deutsch und Englisch

Mir liegt ein ruhiges Leben. Die Kinder fordern mich schon genug. Nicht meine Kinder. Eigene haben wir nicht. Die Blagen in der Schule meine ich. Ich bin Lehrerin. Für Deutsch, Englisch und Kunst.  

Mein Mann ist sympathisch, er ist freundlich. Aber eigentlich weiß ich manchmal gar nicht so genau, was ihn bewegt. Ich meine, abgesehen von seiner Leidenschaft für das Funkeln da oben. Ich kenne seinen Namen. Ich weiß, wo er herkommt. Er hat mir das Kaff seiner Kindheit mal während des Studiums gezeigt. In England heißt auf dem Land ja noch etwas. Da gibt es auf dem Land wirklich nichts als Land. Die nächste Stadt ist mehrere Stunden entfernt. 

Ich weiß auch, was er gerne isst. Und was er gar nicht mag. Ich denke auch, dass er mir zugetan ist. Wir kommen wunderbar miteinander aus. Streit gibt es zwischen uns nie. Nein, wirklich nicht. Nie! Langweilig? Überhaupt nicht.

Streit und Beziehung

Ich glaube nicht daran, dass Streit zu einer Beziehung gehört. Es erhöht die Spannung, sagt meine Kollegin Judith. Reibung sei nun mal nötig, damit Funken fliegen. Das mag ja sein, aber was, wenn ich überhaupt keine Spannung will? Spannung kostet doch Energie. Und als Lehrerin brauche ich all meine Energie für die Arbeit. Und mein Mann braucht ohnehin alles, was ihm an Energie nach der Arbeit übrig bleibt, für seine Sternen-Guckerei, von unserer Dachterrasse aus, die er sich eigens dafür zugelegt und mit einem Teleskop ausgestattet hat. Selbst ich finde es im übrigen einigermaßen beeindruckend, dass das erste Teleskop bereits im 16. Jahrhundert entwickelt worden ist und dass es heute sogar im Weltall eines gibt – Hubble, nach seinem Erfinder benannt.

Weil das Sternengucken mit einem passenden Teleskop natürlich viel mehr Freude macht, so etwas aber teuer ist und ja auch immer wieder nachgerüstet werden muss, hat mir mein Mann noch nie Schmuck geschenkt. Aber was will ich auch mit dem ganzen Tand? Ich will ja schließlich nicht das ganze Jahr behängt wie ein Weihnachtsbaum herumlaufen. In der Schule wäre das ohnehin nicht angebracht. …“

(…)

Kapitel 5

Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass mein Leben mit George nicht immer so friedlich verlaufen ist. Es hat auch bei uns stürmische Wasser gegeben, durch die wir das Schiff unserer Ehe manövrieren mussten. Okay, das ist möglicherweise kein besonders originelles Bild. Aber ich glaube die meisten Menschen können mit diesem Vergleich etwas anfangen.

Unser Sturm war ein Tornado gewesen.
Sein Name war Sabine.
Sabine war eine von Georges Sprechstundenhilfen. 

Hinreißender Augenaufschlag

Eine schüchterne Kindfrau, zerbrechlich, mit Puppengesicht und einem hinreißend-erstaunten Augenaufschlag in mitternachtshimmelblau.
Sie war fleißig, hatte Ambitionen, ohne dabei die hellste unter der Sonne zu sein. Doch das war nebensächlich. Denn vor allem liebte sie die Sterne. Vielleicht ein wenig weniger als mein Mann und auch ein wenig weniger als meinen Mann, aber immerhin teilten sie diese Leidenschaft – also die Sterne. Und auch jene für die Medizin. Sie hatten also allerlei zu teilen.
Allemal mehr als George und ich. So kam dann eins zum Anderen. 

Das Teleskop stand zunächst gar nicht auf unserer Dachterrasse, weil es die damals noch nicht gegeben hat. Es stand auf dem Dach des Hauses, in dem Georges Praxis ist. Im Nachhinein stellte sich dann auch heraus, dass George auf dem Dach nicht nur sein Teleskop aufgestellt hatte, sondern auch einen Esstisch. Den deckte er für Sabine und sich mit Tellern, Gläsern, Kerzen und allem anderen, was man braucht für ein romantisches Dinner zu zweit. Das tat er nicht einmal, nicht zweimal, sondern immer wieder. Um die Zeit zwischen dem Ende der Sprechstunde und dem Einbruch der Dunkelheit bestmöglich zu füllen.

Und das, obwohl ich George nie als romantischen Mann erlebt habe. Nicht am Anfang unserer Beziehung und jetzt erst recht nicht. 

Ein Tornado names Sabine

War ich eifersüchtig? Nein! Das glaubt jetzt natürlich wieder niemand. Worauf hätte ich denn eifersüchtig sein sollen? Ich war doch völlig ahnungslos! Ich hätte natürlich auf das Anhimmeln von Sternen eifersüchtig sein können. Aber wie lächerlich wäre das bitte gewesen?
Ich kümmerte mich um meine Dinge, während George auf seinem Dach Liebe machte.
Mit den Sternen, wie ich dachte. Mit Sabine, wie sich herausstellte.
Aber das war eben ein Missverständnis.

Mir fehlte also objektiv betrachtet nichts. Zumindest nichts, von dem ich mir bewusst war, dass es fehlte.

Es kam möglicherweise daher, dass George und ich einander zwar sehr zugetan sind, aber nicht leidenschaftlich ineinander verliebt. Es gab keine Zeit, in der wir nicht die Hände voneinander hätten lassen können. Das kenne ich offen gestanden vor allem aus Romanen. Es reichte mir aber auch immer völlig aus, darüber zu lesen. Schmetterlinge flatterten durch meinen Bauch, wenn er sie galant umgarnte, verführte, liebte. In dieser Dichte, gab es das eben im wahren Leben nicht. Und es war völlig ungefährlich darüber zu lesen. Nur keine Verwicklungen, bitte!
Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, dass die Liebe schon die Stärksten zu Fall gebracht hat. Wer wollte schon so enden, wie Catherine aus Die Sturmhöhe oder gar Madame Bovary?

Da passt man doch automatisch gut auf sich auf, damit einem dieses Schicksal erspart bleibt. Nun, George, passte da ein bisschen weniger gut auf sich auf. Ich bin mir bis heute sicher: Die Sterne sind schuld. Diese Schwärmerei hat ihn schwach werden lassen. Wie einen angesägten Baum. Es fehlte nur noch ein leichter Wind. Und dann kam gleich ein ganzer Tornado. War es da ein Wunder, dass er umkippte? (…)

Wer lockerleichtes Feelgood mag, für die/den könnte auch meine romantische Komödie „Wo ist denn eigentlich dieses Glück“ passen.

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