Schluss mit lustig: „Silent Night“
Ich bin der totale Film-Junkie. Filme sind doch eine der schönsten Arten Geschichten zu verpacken und zu konsumieren, finde ich. Es passiert sehr, sehr selten, dass ich einen Film nicht zu Ende schaue. Bei der Komödie „Silent Night“ war für mich allerdings Schluss mit lustig und ich kam doch sehr in Versuchung, das Ganze abzuwürgen oder im Keim zu ersticken.
Ich wähle diese Worte mit Bedacht. Das Leben und erst recht die Abende sind einfach viel zu kurz für schlechte Filme.
Ich siebe daher im Vorfeld sehr gründlich. Wenn sich dann doch mal etwas Mieses durchmogelt auf meinen Bildschirm, gebe ich der Sache dennoch eine Chance, um sicher zu gehen, dass nicht vielleicht doch am Ende noch ein Schuh draus wird oder zumindest gute Unterhaltung.
Achtung, Spoiler! Kein Weihnachtsfilm
Und weil ich also Filme so liebe, aber auch eine Mimose bin, möchte ich andere sensible Gemüter vor diesem Film – also „Silent Night“ – warnen.
Achtung, Spoiler! Möglicherweise verrate ich da auch ein bisschen zu viel über den Plot.
Nur mit jeder Menge Alkohol und Tonnen von Popcorn
Keira Knightley, die ja eine nicht kleine Fangemeinde ihr eigen nennt, obwohl sich diese meiner Vermutung nach eher auf ihr hübsches Gesicht, als auf ihre schauspielerischen Fähigkeiten beziehen muss, vor allem aber auf einen gewissen Lieblingsweihnachtsfilm (Ja, natürlich meine ich „Love actually“!), hat im BBC-Interview mit Mark Kermode angegeben, sie habe das Drehbuch in der Schwangerschaft gelesen und sei „hormonal“ gewesen, weshalb sie das Ganze zunächst witzig gefunden habe. Das hat mich dann doch verwundert. Denn gerade wenn sie schwanger war und hormonal, hätte sie das Ganze eigentlich nicht witzig finden können. Am ehesten vielleicht noch als nicht schwangere Studentin in einer WG mit sehr witzigen Freundinnen und jeder Menge Alkohol und Tonnen von Popcorn mit verteilten Rollen gelesen. Das könnte sein. Ja, könnte es. Oder auch nicht…
Wo fängt eine Komödie an und wo hört sie auf?
Und doch wurde mir „Silent Night“ auf Apple als „Komödie“ angepriesen. Hm. Was sagt uns das über den Zustand der Menschheit? Wir müssen an einem sehr düsteren Ort sein gerade. Sind wir ja auch irgendwie. Aber dann will ich doch erst recht eine Komödie sehen, die lustig ist. Oder etwa nicht? Aber wo fängt eine Komödie an und wo hört sie auf? Und ist das wirklich nur Geschmacksache? Ich finde das Labelling hier nicht zum ersten Mal fragwürdig. Wenn „Silent Night“ eine Komödie ist, was ist dann Love Holiday, Love actually, Life of Brian oder Mr. Bean? Ganz zu schweigen von so Albernheiten wie Verrückt nach Mary oder Keinohrhasen?
Stimmungsvolle Weihnachtskomödie?
Noch die ersten Szenen von Silent Night nähren die Erwartung, es handele sich um eine unterhaltsame Weihnachtskomödie. Das ist genau die Stimmung, die hier aufgebaut wird. Eine Familie erwartet Gäste zum Weihnachtsessen in einem verschneiten, gediegenen Herrenhaus auf dem Lande im Vereinigten Königreich. Und ja, britischer Humor ist vielgerühmt und einzigartig und ich liebe ihn, aber selbst in diesen ersten Szenen suche ich ihn vergeblich.
Erste Risse bekommt das Ganze, als sich der Gastgeber*innen-Sohn Art beim Möhren schnippeln in den Finger schneidet und das Blut in solch rauen Mengen auf die Karotten tropft, dass der Junge eigentlich verbluten müsste. Außerdem hat Keira Knightley’s Lächeln etwas Draculeskes.
Komik braucht Fallhöhe, aber so hoch?
Natürlich braucht es Gegensätze und Fallhöhen für Komik. Aber so hoch? Auch hier gibt es doch Grenzen des guten Geschmacks. Oder etwa nicht?
Allein die Tatsache, dass ich mir diese vermeintliche Weihnachtskomödie gerade aus dem System schreiben muss, zeigt, wie sehr sie mir nachhängt.
Es geht um nichts weniger als durch die Lüfte waberndes Giftgas und Exit-Pillen, welche die Festgemeinschaft gemeinsam einnehmen will, um dem Horrortod zu entgehen. Sorry, aber Giftgas? Und Familien, die sich gemeinsam mit Gift das Leben nehmen um einem quälenderen Tod zu entgehen? Das weckt sicher nicht nur bei mir ganz andere Assoziationen.
Ich finde das richtig gehend geschmacklos und daher muss ich diese Zeilen schreiben.
Seid also gewarnt.
Vor allem die letzte Einstellung will mir nicht mehr aus dem Kopf. Achtung, jetzt wirklich der totale Spoiler. Bei No time to die hätte ich das niemals getan. Niemals! Ich schwöre!!!
SPOILER
Der blutüberströmte Art schlägt als einziger wieder die Augen auf, weil alle ihn bereits für tot hielten und er die Exit-Pille verweigert hat, während alle anderen sie genommen haben und still entschlafen sind.
SPOILER ENDE
Ich wünschte, ich könnte etwas Positives über diesen Film schreiben, außer, dass der Cast hochkarätig ist. Nicht einmal Matthew Goode, den ich mir wirklich gerne ansehe, kann das ändern. Er wird sich hier in keinster Weise gerecht. Nein, diese Charaktere sind wirklich zu farblos und dumm und langweilig und unsympathisch und überhaupt …
Allein Roman Griffin Davis als Sohn Art überzeugt in diesem illustren Cast, der von Kirby Howell-Baptiste über Lily Rose Depp bis eben Matthew Goode und Keira Knightley reicht. Allerdings ist Davis‘ Darstellung so brillant, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass Eltern diesen Film ertragen könnten.
Nun bin ich weder Mutter noch nennenswert „hormonal“, aber für mich steht trotzdem fest: „Silent Night“ ist keine Komödie, nicht mal eine rabenschwarze und auch kein Horrorfilm. Sondern nur ein horror Film, der einfach nicht hält, was er verspricht. Hier ist für mich Schluss mit lustig…
Guten Abend…
Die etwas andere Weihnachtsgeschichte