Mimosen-Blog

„San Bernadino in the rain“

Als ich im Spätsommer von den verheerenden Waldbränden in Kalifornien hörte und las, wurde ich sehr traurig. Kalifornien gehört zu meinen Sehnsuchtsorten, seit meine Eltern 1984 in den Sommerferien mit uns in die USA flogen. Auf dem Programm stand zunächst das wunderbare New York und von dort ging es direkt an die Westküste nach San Francisco. Dort stiegen wir in den gemieteten Buick und flitzten den Highway Number 1 hinunter Richtung L.A., die Stadt der Engel und der Stars.
Vorher machten wir einem Abstecher im Yosemite Park mit seinen imposanten Giant Sequoias. Die beeindruckten uns Kinder noch mehr als die New Yorker Skyscraper. So etwas hatten wir noch nie gesehen. Nicht nur sind sie bekanntlich riesig, sie gehören auch zu den ältesten Lebewesen der Erde, der Giant Grizzly ist mit rund 2700 Jahren der älteste Sequoia. Unter dem Chandelier Tree fuhren wir sogar – gleichsam zwischen seinen Beinen – hindurch.

Außerdem gab es einen Stopp in Carmel – zum Baden und weil dort gerade Clint Eastwood Bürgermeister war, was für uns starbegeisterte Kinder natürlich ein unglaublicher Hammer war.
Allerdings regnete es die meiste Zeit, das Meer war grau, wenig einladend und von Clint Eastwood fehlte jede Spur.
Mein Vater ging daraufhin mit seinen drei Frauen, also meiner Mutter, meiner Schwester und mir, Schuhe kaufen. Sehr schlau von ihm. Die Schuhe waren dreifarbig gestreift und hatten farbige, seidig glänzende Schnürsenkel, was ich damals unendlich schick fand. Den Regen empfanden wir dagegen eher als Enttäuschung. Aber was wussten wir schon davon, wie die Zukunft aussehen würde?

Die Nachrichten über das Inferno versetzten mich auch ins Jahr 2002, als ich meinen kleinen Bruder in San Francisco besuchte. Er lebte dort für zwei Jahre – in Noe Valley, dem Stadtteil mit der typischen viktorianischen und edwardianischen Architektur.
Während er arbeitete, streunte ich durch die Stadt. Einer Bergsteigerin gleich kraxelte ich die legendäre Lombard Street hinauf, erfreute mich an blütenreichen Bäumen, um die Kolibris schwirrten und Nektar tranken, spazierte durch den Golden Gate Park, trank Tee im dortigen japanischen Pavillon. Umarmte einen schwarzen Obdachlosen vor einem Supermarkt – einen wahren Hünen, um den meine überdurchschnittlich langen Arme kaum herumpassten (er hatte auf meine ehrlich gemeinte Frage „How do you do“ ehrlich geantwortet, dass ihm Berührungen fehlten und mich gebeten, ihm bitte einen Hug zu geben, was ich, wie gesagt, auch tat und ihm damit scheinbar wirklich eine Freude machte).
Ich rettete mich vor dem Regen in ein atmosphärisches Café, das gleichzeitig ein Waschsalon war, trank Kaffee und einen Smoothie und beschloss, diese originelle Idee mit nach Deutschland zu nehmen (wurde allerdings nichts draus, aus vielen verschiedenen Gründen).
Mir ging währenddessen das Lied „It Never Rains In Southern California“ von Albert Hammond nicht aus dem Sinn. Darin heißt es bekanntlich: „It never rains in California, but girl don’t they warn ya? It pours, man it pours….“
And man, how true that was, at the time!
Außerdem sah ich mir am helllichten Tag „My Big Fat Greek Wedding“ an, weil es nicht aufhören wollte zu regnen.

An all das dachte ich jetzt, während ich die Memory Lane hinunterlief. Und auch an den leckeren Chardonnay mit dem orangefarbenen Label von Francis Ford Coppola. Ich habe nie einen besseren getrunken. Aus Napa Valley wird es jetzt wohl erst einmal keinen Wein mehr geben.

Mein Bruder arbeitete in Silikon Valley. Dorthin fuhr ich eines Tages im vielleicht letzten verregneten Spätherbst, den Kalifornien seit langem gesehen hat.
So sehr regnete es, dass der Zugschaffner an jeder Station der Ortsansage ein „in the rain“ hinzufügte. Ich erinnere mich aber vor allem an seine Ansage „We are now arriving at San Bernadino … in the rain“.
Daran dachte ich, als ich jetzt in der Zeitung las, dass genau dort ein Feuerwehrmann in den Flammen ums Leben kam.
Auslöser des Feuers in San Bernadino war demnach die „Gender reveal Party“ eines Paares, das gedankenlos und dumm genug war, mitten in der zundertrockenen Natur ein Feuer für den entsprechenden Rauch zu entfachen, ihn zu fotografieren und so für seine Freunde auf Instagram das Geschlecht seines ungeborenen Kindes zu verraten.
Ich kann mir keinen banaleren Auslöser für einen schlimmen Waldbrand vorstellen. Noch dazu haben die werdenden Eltern jetzt ein Menschenleben auf dem Gewissen.

Warum sind wir Menschen so unfassbar verantwortungslos? Warum zerstören wir unseren Planeten und haben bereits damit begonnen auch das Weltall zuzumüllen?
Wenn jemand die Antwort kennt, bitte melden! Ich stoße da an meine Grenzen.

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