Katja mit weißem Radhelm und rotem Mantel im Sattel auf einer Radtour
Mimosen-Blog

Meine Radtour durch Flandern

Reisen sind etwas Wunderbares. Neben dem Ziel ist jedoch auch die Frage nach dem Fortbewegungsmittel entscheidend bei der Umsetzung und immer eine Überlegung wert. Der moderne Mensch hat durch das Fliegen oder die Fahrten im ICE jegliches Gefühl für Entfernungen verloren. Wir wollten uns dieses Gefühl zurück erobern: Mit einer Radtour durch Flandern. Aber wie weit kommt man in einer Woche auf dem Rad? Und wie fühlt sich das an, wenn man die Entfernung Maastricht-Ostende komplett auf dem Fahrradsattel bewältigt? Diesen Fragen wollten wir nachgehen oder sollte ich sagen -fahren?

In Belgien waren wir schon häufiger, allerdings immer nur mit dem Auto. Seit Jahren haben wir nun beide kein Auto mehr, dafür besitzen wir mittlerweile vier Fahrräder: zwei für den täglichen Gebrauch, zwei für sportliches Fahren.

Die Flandernroute schien alles zu beinhalten, was uns vorschwebte. Wenig besiedeltes Gebiet, viel Grün und vor allem – ausgewiesene Radwege.
Und da Belgien ja flach ist (wirklich?), wählte ich mein Alltagsrad – eine gefakte Hollandmöhre. Die macht zwar einen auf Gazelle, auf dem schwarzen Rahmen prangt aber Bismarck. Was auch eine traditionsreiche Firma ist. Allerdings eine deutsche (Spätes 19. Jahrhundert, Bergisches Land), die auch Motorräder und ha!, Nähmaschinen gebaut hat. Kein Wunder läuft mein Rad wie am Schnürchen.

1. Etappe der Radtour durch Flandern: Maastricht-Tongeren

Mein Freund lud sich einen riesigen Rucksack auf den Rücken und stieg auf sein Trekkingrad. (Er wusste schon warum, wie sich später herausstellen sollte).
Ich hatte zwei Ortlieb-Fahrradtaschen meines Vaters an meinen Gepäckträger geklemmt – wasserfest, cool, praktisch. Danke dafür! Es ist erstaunlich was alles hineinpasst! Zum Beispiel Regenklamotten. Die hatte mir auch mein Vater geliehen. Ich besitze so etwas nicht. Doch es war Herbst, Ende Oktober. Ein goldener zwar, aber Regen in nun mal zu der Jahreszeit nichts Ungewöhnliches.

Mit der Regional-Bahn ging es über Aachen nach Maastricht und von dort direkt auf die Piste.
Jeder, der einmal in den Niederlanden geradelt ist, weiß – dieses Land ist das reinste Fahrradparadies. Alles bestens ausgebaut und beschildert.
Es war Samstag und trubelig in den Straßen von Maastricht. Mensch, was für eine Schönheit! Ein architektonisches Juwel. Es ist die südlichste Stadt der Niederlande, Provinzhauptstadt von Limburg und für ihre Joie de vivre legendär.
Anders als in Deutschland, rennt einem trotz überbordender Lebensfreude niemand vors Rad, jeder bleibt auf seinem Weg. Kein Auto schneidet oder übersieht einen. Fahrräder sind das bevorzugte Fortbewegungsmittel.
Einfach herrlich.

Auf der Suche nach dem Startpunkt

Doch kaum überradelten wir die grüne Grenze zu Belgien, wurde es unübersichtlicher. Ich hatte zwar ein regenabweisendes Radkartenbuch für die Flandernroute LF6 beschafft, doch das brachte uns zunächst nicht weiter. Die Pläne richteten sich nicht nach uns und starteten nicht direkt an dieser Grenze.
Nach dem Weg befragte Belgier schüttelten ratlos den Kopf, als wir sie nach dem Startpunkt der Flandernroute fragten.

Wir erkundigten uns daraufhin, der Einfachheit halber nach unserem ersten Ziel: Tongeren – der ältesten Stadt Belgiens. Sie geht auf eine römische Siedlung zurück und ist auch bekannt für ihren beeindruckenden Trödel- oder besser Antikmarkt.
Die Himmelsrichtung war schnell geklärt.

Der Weg ist das Ziel und liegt immer vor uns.

Und los ging’s

Aber welch ein Schreck durchfuhr meine zunächst noch frischen Glieder: Ein echter bewaldeter, zugegeben schöner, Berg erhob sich vor uns.
Doch da half kein Zaudern. Schließlich hatten wir ein Ziel und um den Berg führte im wahrsten Sinn des Wortes kein Weg herum. Kräftig traten wir also in die Pedale, noch voller Elan und Abenteuerlust. Auf der anderen Seite ließen wir dann erleichtert laufen. Der Wind pfiff uns munter und erfrischend um die Ohren. Eine herrliche Belohnung nach der Strapaze.
Ich hatte die Fassung wieder und sagte lachend. „Das war sicher der einzige Berg von ganz Flandern!“
Wie unfassbar ignorant ich doch war! Unsere Fahrradkarte hat neben ihren Plänen auch eine Karte mit den Höhenmetern der Flandernroute. Mein Freund hatte sie sich angesehen, aber nicht mit mir drüber gesprochen.

Auf der anderen Seite trafen wir auf den Albert-Kanal und einen Trupp männlicher Rennradler in der angemessenen Kluft. (Ich trage auf dem Radsattel, was ich auch sonst tragen würde, meistens aber Rock).
Die Radler fragten wir ein weiteres Mal nach Tongeren. „Über den Berg dort“, sagten sie auf Französisch und wiesen auf den Berg hinter uns. Ja, genau, den Berg, den wir gerade überwunden hatten.
Ich schluckte. Aber was wusste ich schon?
Kämpften wir uns also den Berg wieder hinauf, mit etwas weniger Elan nun und auf der anderen Seite genauso beglückt, wie beim letzten Laufenlassen, wieder hinunter. Kurz danach scharf rechts – so hatten die Rennradler es erklärt, und da lag sie vor uns – die Radroute, die wir gesucht hatten: Die LF6 Vlaanderen Fietsroute. Wunderbar grün, herrlich erschlossen und vielversprechend.

1. Tagesziel der Radtour durch Flandern

Hier ging es nun ohne weitere Unterbrechungen entlang nach Tongeren. Vorbei an Kuhweiden und Pferdekoppeln, wie alte flämische Gemälde. Alten Gutshöfen umgeben von akkurat geschnittenen Hecken. Aber auch vielen modernen Häusern. Teilweise im Nirgendwo.

In Tongeren angekommen, wurde es bereits dunkel.
Unterkünfte hatten wir vorher nicht gebucht, da wir keinerlei Erfahrungswerte hinsichtlich unseres Tempos hatten und uns nicht unnötig stressen wollten in Sachen Entfernung.
Als erstes begaben wir uns in Tongeren also auf die Suche nach einer Unterkunft. Doch sämtliche Hotels, in denen man auch sein Fahrrad hätte unterbringen können, waren ausgebucht.
„Messe für italienischen Wein“, hieß es als Begründung.
Wir schraubten dann unsere Ansprüche immer weiter hinunter.
Und landeten schließlich in der Jugendherberge. Immerhin untergebracht im geschichtsträchtigen schönen Beginenhof der Stadt.
Die Stockbetten mussten wir selbst beziehen (mein Freund musste oben schlafen. Ich hatte Angst rauszufallen, ich schlafe unruhig).
Die Herbergsmutter war dann noch so lieb, uns Handtücher aus ihrem privaten Bestand zu leihen. Denn Handtücher hatten wir bei dem kleinen Gepäck natürlich nicht dabei.

Guten Appetit nach dem Ritt!

Dafür gab es zum Abendbrot dann ein erstaunlich günstiges Marktmenü in einem Sterne-Restaurant, das wir zufällig beim Schlendern entdeckten.
Das perfekte Kontrastprogramm zu unserer spartanischen Übernachtung. Und was hatten wir für einen Appetit nach dem Ritt!

Das Frühstück weckte Kindheitserinnerungen. Mit Schokoladenhagel, zuckrigem Orangenkonzentrat und Früchtetee.
Gestärkt (und ein wenig gerädert 😉 nach viel Wein und schlechtem Stockbettenschlaf) schwangen wir uns wieder auf den Sattel.
Bereit für weitere Abenteuer und die zweite Etappe unserer Radtour durch Flandern. Mit diesem völlig ungewohnten, aber herrlichen Gefühl der Ungewissheit. Einfach nur strampeln und gucken, wie weit wir kommen.

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