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Das Gewitter war noch nicht da!
Das Gewitter war noch nicht da, ist in meiner Familie ein geflügeltes Wort. Als kleines Mädchen verbrachte ich ganze Sommer bei meiner Großmutter im Allgäu. Während eines besonders schwülen Juli (oder war es August?), spielten sich vor der ohnehin schon spektakulären Bergkulisse rund um Ludwigs Schlösser dramatische Szenen ab. Allabendlich zog ein Gewitter auf und entlud sich in donnernden Paukenschlägen und mäandernden Blitzbündeln, die das imposante Panorama taghell aufleuchten ließen. Ich verfolgte dieses beeindruckende Naturschauspiel mit wohligem Grusel und gebührendem Respekt aus sicherer Entfernung durch das breite Wohnzimmerfenster. So regelmäßig kam das Gewitter zur Abendunterhaltung vorbei, dass ich eines Tages, als meine Großmutter mich ins Bett bringen wollte, sagte: „Ich…
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Meine Radtour durch Flandern
Reisen sind etwas Wunderbares. Neben dem Ziel ist jedoch auch die Frage nach dem Fortbewegungsmittel entscheidend bei der Umsetzung und immer eine Überlegung wert. Der moderne Mensch hat durch das Fliegen oder die Fahrten im ICE jegliches Gefühl für Entfernungen verloren. Wir wollten uns dieses Gefühl zurück erobern: Mit einer Radtour durch Flandern. Aber wie weit kommt man in einer Woche auf dem Rad? Und wie fühlt sich das an, wenn man die Entfernung Maastricht-Ostende komplett auf dem Fahrradsattel bewältigt? Diesen Fragen wollten wir nachgehen oder sollte ich sagen -fahren? In Belgien waren wir schon häufiger, allerdings immer nur mit dem Auto. Seit Jahren haben wir nun beide kein Auto…
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Die Zeit dieser Lump!
Jetzt ist doch tatsächlich August. Ich fasse es nicht! Gegen mein Zeitgefühl tritt der Sommer in seine heiße Phase. Dabei müsste doch aller Logik nach die Zeit gerade still stehen, sich zumindest verlangsamt haben und langziehen wie Kaugummi. Wir haben uns doch entschleunigt. Seit nämlich die Welt im Frühjahr die Pause-Taste gedrückt und ein Virus die Menschheit ausgebremst hat. Dachte ich zumindest. Und was macht die Zeit, dieser Lump? Sie haut ab. Nicht im üblichen Tempo. Nein! Wenn ich einen Film zu einem bestimmten Punkt vorspule, benutze ich manchmal die Beschleunigungstaste. Da hasten die Bilder dann in dreifachem Tempo davon. Das sieht nicht nur lustig aus. Es verzerrt auch die…
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(Keine) Begegnungen im Homeoffice
Still ist es geworden vor meinem Fenster. Der Zilpzalp war schon länger nicht mehr zu hören. Während ich an der Nordsee weilte, hat sich offensichtlich auch meine kleine Mönchsgrasmücke aus dem Staub gemacht. Heimlich, still und leise. Wahrscheinlich sind die Kinder aus dem Haus und er und seine Gemahlin sind umgezogen, haben sich etwas Kleineres gesucht. Reicht ja dann auch. Sie alle haben mir keinen Abschiedsbrief hinterlassen. Ich kenne ihren neuen Aufenthaltsort nicht und sie haben auch keinen Nachsendeauftrag erteilt. Das einzige, was ich jetzt noch vernehme sind die Schreie der Mauersegler, dieser Delfine der Lüfte, in ihrem hohen Himmelsmeer. Auch das Doppeldecker Mauersegler-Paar ist wieder dabei. Es übt sich…
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Die schwankende Dauerwelle
Es dreht sich gerade alles um Wellen. Kleine, große, erste, zweite oder gar dritte? Und dann geht’s jetzt vor allem noch um die „schwankende Dauerwelle“. Die kenne ich, so eine hatte ich auch schon mal. Aber ich glaube meine war anders, als die, von der gerade überall die Rede ist. Die zweite Welle Es sitzt nämlich derzeit der einen oder dem anderen die Angst vor der zweiten Welle in Sachen Corona im Nacken. Und diese zweite Welle, von der niemand weiß, ob sie kommt, zumindest niemand ohne Kristallkugel, könnte in den unterschiedlichsten Formen über uns hereinbrechen, heißt es. Auch in vielen kleinen Wellen. Aber mich spricht besonders die schwankende Dauerwelle…
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Endlich wieder auf Reisen
Eine Seefahrt, die ist lustig, aber auch eine Bahnfahrt ist nicht ohne. Egal – endlich wieder unterwegs sein!In Zeiten wie diesen allerdings überlegt sich der Mensch genau, welche Reisen wirklich nötig sind. Als Mimose überlege ich mir das ohnehin ständig. Noch dazu Reisen mit der Deutschen Bahn, die einen ja auch schon zu normalen Zeiten allen möglichen und unmöglichen Eventualitäten ausliefern. Bereits ein verspäteter Zug oder stürmisches Wetter können erfahrungsgemäß eine ganze Kette von Unannehmlichkeiten nach sich ziehen. Noch dazu kommt jetzt: einen geschlossenen Raum für acht Stunden mit vielen Unbekannten teilen, gewappnet mit einem Mund-Nasenschutz. Auch das nicht gerade Zen für eine Mimose. Erst wollte ich daher zu Hause…
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Der Duft des Regens
Ich machte Freudensprünge, als es letztens mitten im Juni regnete. So richtig Landregen, dicke Tropfen, die aufs Dach trommeln. Ohne Gewitter, ohne Sturm, einfach Old School Regen. Ich hatte zuvor bereits mit meiner Mutter darüber nachgesinnt, was wohl zu tun sei, damit es endlich mal wieder regnet und die Bäume und Pflanzen nicht weiter darben müssen. Das Gras der Parks verfärbte sich da schon ins Augustgelbe. Dabei war Anfang Juni. Meine Mutter und ich waren schnell bei der Option Regentanz und meine Mutter ging noch eins weiter und landete beim Film. Genauer gesagt bei „The Rainmaker“ – mit Katherine Hepburn und Burt Lancaster. Wobei wir beide lieber Audrey Hepburn mögen.…
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Die Blumenfrau
Das letzte Mal, dass ich sie sah, ist gefühlt zwei Sommer her. Vielleicht war es aber auch nur ein Sommer. Zeit ist so relativ, flüchtig sowieso. Ich nannte sie immer nur die Blumenfrau. Ihren Namen kannte ich nicht. Dennoch war sie jahrzehntelang ein Teil meines Lebens.Wenn ich zu meinen Eltern radele (ein Auto habe ich schon viele Jahre nicht mehr), benutze ich von jeher den Radweg des ziemlich frequentierten Kaiser-Friedrich-Rings in Düsseldorf-Niederkassel. Und neben diesem Radweg stehen unterschiedliche Frauen mit ihrem Gemüse oder ihren Blumen und bieten sie feil. So auch meine Blumenfrau. Sie war gestürzt Bei dieser letzten Begegnung mit ihr, vor ein oder zwei Sommern – sie war…
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Begegnungen im Home-Office
Home-Office – vierter Monat! Nein, ich bin hier nicht allein. Wenn nicht gerade ein Zug viele Menschen an meinem Fenster vorbeiträgt, die alle Masken tragen und mich so daran erinnern, warum ich hier sitze, in meiner Wohnung, die ich niemals, niemals mit fieser Arbeit habe verunreinigen wollen. Wenn also kein Zug vorbeifährt, dann höre ich die Vögel: Die Amsel mit ihren kunstvollen minutenlangen Arien. Den Zilpzalp, den Frühlingsvogel schlechthin, der so ruft, wie er heißt. Die Nachtigall, die Lyrische unter den Sängerinnen. Das Rotkehlchen, das verwandt ist mit Amsel und Nachtigall (zumindest habe ich das mal gelesen) und ebenso schön singt. Den Spatz, dessen Bestand sich wieder erholt hat, der…
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Seemann, lass das träumen
Ein Schlagerabend wäre normalerweise nicht Freds Ding gewesen. Aber erstens mochte er den Schriftsteller, Rainer Moritz, der das Ganze inszeniert und zweitens fiel ihm keine gute Entschuldigung ein, als der Veranstalter ihn zu der Sause einlud. Nun ist Fred also hier. Er sitzt im Halbdunkel des Veranstaltungsorts – einer Mühle in Wolfenbüttel – umgeben von Senioren, die so aufgeregt wirken, als würden ihre Stars gleich persönlich ans Mikrofon treten und singen. Fred ist kein Fan von irgendwem. Aber Rainer Moritz ist gnädig, er beginnt mit Stücken aus einer Zeit, in der man noch wert legte auf Melodie, auch beim Schlager. Und dann spielt er ein Stück, das Fred gehört hat,…